Eine Fahrt in die Ukraine (5)

Die Hauptstadt

Von Zhytomyr nach Kiew (klick ins Bild für große Ansicht)

Ich lasse Zhytomyr nun endgültig hinter mir. Aber auch diesmal noch ein kurzer Blick zurück:

Die Musik ist von der ukrainischen Gruppe Parfeniuk – „Провела екскурсію“
Die Musiker dürften das Alter haben, um dieses Gymnasium zu besuchen.
Naja, nicht mehr. Es ist ja futsch.

Allzu weit ist es nicht bis Kiew. Wie schon an den Tagen zuvor herrscht ein fantastisch sonniges Herbstwetter und die Bäume geben sich alle Mühe mit ihrem Laub. Herrlich!

Die Straßen gehen sehr geradeaus, rechts und links immer wieder gigantische Mais- und Sonnenblumenfelder bis zum Horizont. Der Norddeutsche würde es mögen. Ich persönlich finde es zwar gigantisch, aber muss ein einzelner Mensch mehrere tausend Hektar Land besitzen? Das war noch nie richtig. Auffällig sind die vielen Misteln an den Bäumen. Ob sie die auch exportieren?

Die Autobahn ist ganz ordentlich, aber man muss ständig mit Straßensperren rechnen. Viele der Posten sind aktuell auch nicht mehr besetzt, aber das sieht man vorher nicht. Stau gibt es trotz des eher geringen Verkehrsaufkommens an jedem Checkpoint. Daher habe ich nur ein wenig aus der Hand gefilmt, bitte das Gewackel zu entschuldigen. Aber mit der Kamera auf dem Stativ in einer Militärkontrolle wollte ich mich nun echt nicht erwischen lassen…

Das Schwarze links und rechts sind reife Sonnenblumenfelder

Und dann kommt relativ überraschend die Skyline Kiews in Sicht.

Mir bleibt die Spucke weg. Nicht nur, dass hier am Ortseingang der größte Kontrollpunkt ist, den ich bisher gesehen habe. Sich der größte Stau durch die Stadt zieht, ich hab’s exakt zum Feierabendverkehr geschafft.

Hier reihen sich auch massenhaft Hochhäuser aneinander. Sozialistischer Plattenbau wechselt sich mit hochmoderner Architektur ab. Aber jeweils nicht unter 20 Stockwerken. Dazwischen stehen bezaubernde alte Jugendstilgebäude, die der Oligarch noch nicht weggerissen hat. Allerdings stammen die Schäden an deren Fassaden eindeutig nicht vom Krieg. Möchte nicht wissen, wie viele Leute da jedes Jahr mitsamt ihren wunderschönen Balkonen abschmirgeln oder durch herabstürzende Türmchen mit dem Zeitlichen gesegnet werden.

Die gigantische Mutter-Heimat-Statue vor dem beeindruckenden Dnepr mit seiner 6-spurigen Brücke (Stau) wollte ich mir wenigstens als ein kleines Touristen-Goodie gönnen und genauer anschauen. Wenn schon für eine richtige Stadtbesichtigung keine Zeit ist. Leider verpasse ich die Abzweigung und lande wieder auf der Ausfallstraße. Da jeder Meter, den man um diese Uhrzeit vorwärts macht, ein großer Erfolg ist, verzichte ich für diesmal aufs Umdrehen und nehme stattdessen die Brücke über den Dnepr Kurs Richtung Charkiv. Das ist die nächste Station.

Gefilmt habe ich in der Stadt kaum, meine Sorge vor nicht vorhersehbaren Kontrollposten bzw. militärisch besetzten Zivilfahrzeugen war zu groß. Ich kann mir keine ernsthafte Verzögerung erlauben.

Am besten rechts auf „Vollbild“ klicken, dann sieht man auch was.

Kyiv ist jedenfalls unglaublich groß und beeindruckend und ich weiß bis heute nicht, ob ich diese Stadt jetzt gut, oder einfach nur grässlich finden soll. Das muss wohl ein späterer Besuch nochmal genauer klären. Hoffentlich steht sie dann noch!

Für die große Statue sehe ich diesbezüglich allerdings schwarz: Ein sowjetisches Ehrenmal in Kiew? Unwahrscheinlich, dass das noch eine großartige Zukunft vor sich hat. In Odessa haben sie jedenfalls die olle Katharina schon von ihrer Säule genommen und in die Katakomben eines Museums verfrachtet. Ich war einer der letzten, die sie gesehen hat. Und die Straßennamen werden ebenfalls genauestens auf russische Wurzeln untersucht und entsprechend geändert. Ob das wohl immer Sinn macht, alles Alte einzustampfen? Nun, ich kann es verstehen. „Kind, sei brav, iss auf, hasse die Russen!“. Da wird auch diesmal sicher für viele Jahrzehnte kein Gras drüber wachsen. Wozu auch.

Es geht mir kaum anders, auch wenn ich kein Ukrainer bin und mir dieses Land eigentlich ziemlich egal sein könnte. Ich vor 9 Monaten noch gar nicht so genau gewusst habe, wo das eigentlich liegt. Irgendwo da hinter Polen. Nordstream 2 sei eine gute Idee, dachte ich, weil sie uns von korrupten ukrainischen Machthabern unabhängig macht.

Wie blöd muss man sein? Ich habe mein Leben lang die Abrüstung propagiert, habe meine Oma quasi als Alt-Nazi betrachtet, weil sie als Vertriebene uns immer vor den Russen gewarnt hat: „Denen darf man nicht trauen, die sind falsch!“ Oh nein, Oma, auch die Russen wollen ja nur Frieden, wir sollten keine Pershing-2 stationieren, Friede durch Abrüstung und erst recht durch gute Handelsbeziehungen. Was für ein Bullshit.

Doof, wenn man dann nach all den Jahren des Friedens und der Abrüstung feststellen muss, dass Oma doch recht hatte. So sehr wie Putler hat mich noch nie jemand zum Deppen gemacht.

Doch genug räsoniert! Die Fahrt durch Kiew hat Stunden gedauert, aber endlich ist der obligatorische Posten am Ortsausgang passiert und jetzt will ich endlich vorwärts kommen. Aber schon nach kurzem geht es von vorne los: Diesmal Bauarbeiten mit abenteuerlichen Umleitungen, zudem wird es jetzt dunkel. Da ist an sicheres Fahren nicht mehr zu denken. Ich suche mir auf dem Satellitenbild von google ein ideales Plätzchen am Ende eines Dorfes in Autobahnnähe und der Tag ist geschafft.


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