Eine Sprachreise (9)

Ahnenforschung und erste Hilfe für die Tierschützer

Habe ich da eben eine Neun getippt? Mannomann. Wer hätte das gedacht. Eigentlich sollte es ja nur ein kleiner Sprachurlaub werden, fünf Tage Intensivkurs Polnisch in Krakau. Mit ein paar Reiseerzählungen und Bildern für Tante Sine + meine Freunde.

Morgen geht es jetzt nach einiger Verlängerung dann doch zurück. Also ist wohl ein Resümee fällig:

Die Bedenken meiner Umstehenden waren groß, ob dieser Reise. Man fährt doch nicht in ein Katastrophengebiet, wenn man halbwegs klar im Kopf ist! Und eigentlich hätte ich ja zuhause auch genug zu tun…

Ich gebe zu, auch ich hatte ein komisches Gefühl: Man wusste ja so gar nicht, was da vor Ort los ist. Nur aus den Nachrichten, dass Millionen (!) Flüchtlinge in Polen ankommen. Und Krakau ist ja nicht weit hinter der Grenze zur Ukraine. Aber ich dachte auch, dass wenn die Lage wirklich so extrem sein würde, ich meinen Kurs Kurs sein lassen und den dortigen Tierärzten helfen könnte.

Sprachschule und Hotel antworten nicht auf meine Anfragen, wie denn die Lage wohl sei. Das ist nicht motivierend. Einerseits bin ich Schwabe und gebe ungern Geld aus, ohne eine gewisse Gegenleistung zu erhalten. Andererseits würde man ja schon auch gerne wissen, ob man das Hotelzimmer mit einer ukrainischen Familie teilen muss oder die Lehrerin sich irgendwo an die Ostfront gemeldet hat.

Also habe ich beschlossen, hinzufahren, nachzuschauen und im Notfall eben einfach wieder zurück zu fahren. Wenn ich denn im überfüllten Flüchtlingszug dann noch einen Platz bekomme.

Die Sprachschule ist sehr verkehrsgünstig gelegen, hat aber eine gute Schallisolierung.

Es ist aber alles nicht so dramatisch, wie man sich das in verworrenen Träumen ausmalen kann: Mein Sprachkurs war super und ich habe zudem einen sehr schönen Kontakt zu tollen und engagierten Leuten bekommen. Es ist wirklich bewundernswert was die am Bahnhof für die Flüchtlinge und ihre Tiere auf die Füße stellen! Ich fürchte nur, dass ihnen irgendwann die Puste ausgeht. Also bleibe ich dran und werde ihnen aus der Ferne helfen, so gut es geht. Einige meiner Freunde und Verwandten haben spontan zusammengelegt und so verfüge ich über ein hübsches Sümmchen, um die Helfer in den nächsten Wochen mit Katzenkörben und anderen Sachspenden zu unterstützen.

Natürlich gibt es auch noch einen Abschluss meiner Reise: Ich war nach Katowice gefahren, weil meine Informationen lauteten, dass mehr Flüchtlinge weiter in den Westen gekarrt werden und die Züge in Krakau gar nicht mehr halten würden. Also nach Katowice, Opole usw. Ich wollte schauen, ob man da auch was für die Tiere tun kann.

Das scheint aber eine Fehlinformation gewesen zu sein. In Kattowitz ist absolut nichts los. Mehr Feuerwehrleute und Helfer als Flüchtlinge. Es könnte allerdings auch sein, dass sie es besser schaffen, die Leute weiterzuverteilen. Immerhin gibt es aber einen kleinen Stand für die Tiere, mit Futter, Kisten, Leinen usw. Am nächsten Tag wollte ich da gleich hingehen und mich nach Hilfsmöglichkeiten erkundigen.

Tja, nur dass am nächsten Tag niemand mehr da war. Und am Dienstag auch nicht. Und auch keine Flüchtlinge. Also habe ich beschlossen, dass jetzt noch ein wenig Urlaub ist. Aber natürlich kein Urlaub zum die Füße hochlegen, sondern ein wenig Ahnenforschung, wie ich es 2018 schon mal gemacht habe.

Ich will nach Beuthen (Bytom), das ist ganz einfach mit der tramwaj. Wenn man dann mal die richtige Seite im Internet gefunden hat, auf der ein aktueller Linienplan steht. An den Haltestellen: Nada. In der Touristinfo: Nada, haben wir nicht…

Wenn man es endlich kapiert hat: Das Tagesticket kostet 13 Zlotych, umgerechnet 3 Euro. Mit dem kann ich 24 Stunden auf einem Gebiet mit der Größe des Ruhrgebiets (naja, fast) unterwegs sein. Da sollte sich Deutschland mal ein Beispiel nehmen. Der Vergleich zum Ruhrgebiet passt sonst ziemlich gut. Nur dass die Kohlezechen hier noch in Betrieb sind und die Begrünung und Aufhübschung dem Ruhrgebiet um locker 50 Jahre nachhängen…

Aber ich wollte ja Ahnenforschung betreiben und dann ist das eher egal. Ich hatte in einer früheren Polenreise an die Plätze meiner Ahnen für die Mopvets berichtet. Vielleicht erinnert sich mancher noch dran, und vielleicht stelle ich die Geschichten auch hier ein. Habe nur im Moment keine Zeit dafür.

Das Grab

In Bytom (Beuthen) war das Grab meiner Urgroßeltern. Ein wunderschöner alter Friedhof, unter Denkmalschutz gestellt. Das Grab habe ich damals nicht gefunden. Und der vermeintliche Friedhofsverwalter hatte mir damals auch gesagt, dass es es nicht mehr gäbe. Wahrscheinlich hat er recht. Aber er hatte natürlich auch was anderes zu tun, als sich um einen nicht polnischsprechenden Niemiec zu kümmern.

Niemiec (Deutscher) kommt übrigens von niemy = stumm. Polen war umzingelt von anderen slawischen Staaten, mit denen sie sich irgendwie unterhalten konnten. Nur die „Deutschen“ waren anders. Mit denen konnte man nicht reden und sie auch nicht mit den Polen. Also waren sie „die Stummen“.

Gestern habe ich also den guten alten Friedhof „Mater Dolorosa“ ein zweites Mal besucht. Ehrlich gesagt war die Motivation aber eigentlich eine andere: Ich wollte unbedingt nochmal mit der alten Straßenbahn fahren. Ein Rudiment aus den 50er-Jahren. Und die fährt die paar Meter aus der Stadt zum Friedhof hoch. Richtig geil, mit einer Kurbel zum Gasgeben und Holzbänken. Wäre toll, hier nochmal ein paar schöne Aufnahmen machen zu können.

2019: Linie 38 aus den Fünfzigerjahren ist Kult!

Ich sollte es eigentlich besser wissen. Man besucht NIEMALS einen Ort nochmal, an den man schöne Erinnerungen hat. Das haut nicht hin. Das tolle alte Haus, in dem man mal gewohnt hat, ist abgerissen und hat einem Mehrfamilienklotz Platz gemacht. Das Stadtviertel wurde restauriert und hat keinerlei Ähnlichkeit mehr mit früher.

2022: Die neue Linie 38 ist deutlich komfortabler

Und so fahre ich mit einer hypermodernen Straßenbahn Richtung Friedhof. Die alte wurde hoffentlich wenigstens ins Museum gebracht.
Für die Leute, die das Ding nicht aus nostalgischen Gründen nutzen, ist die neue natürlich schon wesentlich komfortabler. Aber soo weit ist die Fahrt da raus ja nun auch wieder nicht…

Ich fahre also nicht wie eigentlich geplant bis zur Endstation, sondern steige am Friedhof aus. Auch diesmal finde ich bei meinem Rundgang natürlich kein passendes Grab. Aber da ich ja einen Sprachkurs gemacht habe, bin ich mutig und frage diesmal einen der Gärtner. Es ist toll! Er spricht irgendwie „Schriftpolnisch“ und ich verstehe jedes Wort. Nur dass ich keine Ahnung habe, was diese Worte bedeuten… Aber mit Händen und Füssen kommen wir dann doch klar. Er kann sich nicht an diesen Grabstein erinnern und er empfiehlt mir, mich doch (Montag? Oder Dienstag?) vertrauensvoll an den Friedhofsverwalter zu wenden, da wäre der im Büro und hätte einen KomPuter und kann mir sagen, ob es das Grab noch gibt. Nur, dass ich weder morgen noch übermorgen mehr hier bin. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass 2019 an der richtigen Stelle gefragt habe. Da kann man beim nächsten Mal dann weitermachen.

Annas Laden

In der Zwischenzeit sind die Pakete bei den Helfern vom Bahnhof angekommen, die Freude war groß und sie bedanken sich herzlich!

Heute hatte ich zum Abschluss noch einen kleineren genealogischen Ausflug nach Antonienhütte, heute Wirek, gemacht. Da ist meine Oma geboren und ich wollte mal versuchen, die damalige Adresse herauszubekommen. Und vielleicht würde ja sogar das Haus noch stehen?

Also wieder ein Tagesticket für die Straßenbahn geholt und mich durch Oberschlesien kutschieren lassen. Mit dem Ausstieg haperte es allerdings etwas – mir war unklar, wo hier ein Ort aufhört und der andere anfängt. Alles ziemlich unschöne Plattenbausiedlungen, manche wenigstens mit ein bisschen Farbe aufgehübscht. Als ich in der Ferne einen Kirchturm erspähe und auch google maps mir bestätigt, dass ich irgendwo in Wirek bin, steige ich aus.

Nach einem kleinen Fußmarsch komme ich zu besagter Kirche, leider ist sie zu und auch im Pfarrhaus ist niemand da. Bleibt noch das Rathaus, das muss ganz in der Nähe sein, weil auch die Haltestelle so heißt: „ratusz“.

Das alte Rathaus in Wirek

Auch hier ist die Ernüchterung schnell da, in diesem Rathaus lagern schon lange keine Akten mehr und so gebe ich die Suche auf und zuckel wieder nach Hause.

Morgen geht es dann wieder nach Hause, diesmal zweiter Klasse. Bin gespannt, ob es einen großen Unterschied macht. Und dann werden neue Pakete gepackt, mit allerlei hilfreichen Utensilien für die Tierschützer.

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